Mittwoch, 26. Februar 2014

Was ich noch loswerden wollte...


Hallo Krebs!
Vorweg: du kannst froh sein, dass ich dich nicht mit „Na Arschloch begrüße“. Das kleine 'Hallo' dort oben ist noch das minimalste an Höflichkeit, was ich für dich übrig habe. Nur als kleine Info nebenbei.
Zum Wesentlichen: Unsere Beziehung oder wie auch immer man es schimpfen kann, dauert jetzt schon gut 7 Monate. Vermutlich sogar noch länger, weil du und deine anderen überflüssigen Artgenossen euch eh auf die hinterfotzigste Art irgendwo im Körper eines Menschen einnistet, ohne dass irgendjemand etwas etwas davon mitbekommt.
Anscheinend kriegst du den Hals nicht voll und 7 verdammte Monate mit mir reichen dir immer noch nicht, aber ich habe die Schnauze gestrichen voll! Normalerweise fordere ich jemanden immer dezent freundlich dazu auf zu gehen, aber bei dir hört jegliche Art von Freundlichkeit auf. Ich knall es dir mal direkt an den Kopf, denn was anderes hast du nicht verdient: VERPISS DICH!
Tu am besten das, was du schon vor Monaten hättest tun sollen – zieh endlich Leine! Lass mich verflucht nochmal in Ruhe, damit ich endlich wieder ein gesunder, lebensfroher und glücklicher Mensch sein kann - und nicht dieses traurige, depressive und schwerkranke Etwas.
Jedes Lebewesen auf diesem Planeten hat eine bestimmte Lebenszeit und segnet irgendwann das Zeitliche. Aber abgesehen davon, dass du nicht mal ein Lebewesen bist, solltest du meiner Meinung nach ÜBERHAUPT NICHT  existieren – in keiner einzigen beschissenen Zelle! Und glaub mir Kollege, ich bin nicht die einzige Person auf dieser Welt, die dich am liebsten durch die gesamte Stadt mit Fackeln und Mistgabeln jagen will!
Schnapp dir also deine bezaubernde Familie, die du  dreisterweise auch noch in meinen Körper mit einquartiert hast, fangt euch für unterwegs noch schnell paar Strahlen vom Linearbeschleuniger ein und verschwindet endlich. Und kommt nicht mal ansatzweise auf den Gedanken zurückzukehren – ihr werdet NIE WIEDER willkommen sein! Normalerweise bin ich ein sehr sozialer Mensch und helfe unheimlich gern, aber bei dir hört die soziale Ader definitiv auf. Ich bin für dich weder das Sozialamt, noch das Obdachlosenheim. Für dich gibt es auf dieser Welt keinen einzigen Ort, an dem du in irgendeiner Weise willkommen bist. Es gibt genug Unheil da draußen, also mach  den Menschen das Leben gefälligst nicht noch schwerer!
Du hast mir Tag für Tag eine Höllenangst gemacht. Angst, dass du dich ohne Sinn auf Verluste noch weiter in meinem Körper ausbreitest. Angst, dass ich wegen dir noch mehr Schmerzen und Behandlungen ertragen muss. Angst, dass ich dich nie wieder loswerde…
Ich hatte nie besonders große Angst vor dem Tod. In den letzten Monaten war es mir sogar fast schon gleichgültig, wer von uns beiden am Ende als Gewinner aus diesem Spiel geht. Ich hatte dich so satt, dass ich mir immer wieder eingeredet habe, dass ich in all den 26 Jahren genug erlebt hätte. Ich hatte Leid und Verlust erfahren, durfte Glück und Freude erleben und ich habe die große Liebe gefunden - all das sollte reichen. Doch dann sah ich, wie Freunde von mir Dinge erlebten, die ich bisher noch nicht in meine eigene Geschichten schreiben konnte: Sie reisten an die schönsten und unglaublichsten Orte der Welt, sie absolvierten ihre Ausbildung und fanden tolle Jobs, sie heirateten die Liebes ihres Lebens oder sie durften das wundervolle Glück erfahren Eltern zu werden. Und während ich all diese Glücksmomente beobachtete, stellte ich mir immer wieder ein und dieselbe Frage: Habe ich wirklich schon genug gelebt?
Keines dieser Ereignisse durfte ich jemals selbst erleben. Denkst du also wirklich, dass du mich dazu bringen kannst all diese Dinge nicht zu wollen? Oder dass du es schaffst, dass ich nicht mehr daran glaube könnte eine Zukunft zu haben? Für wen zur Hölle hältst du dich eigentlich, dass du mir und vielen anderen krebskranken Menschen einfach unsere Träume nehmen kannst?
Ich sag dir mal was: Irgendwo da draußen sind unzählige Orte, die ich bereisen werde. Irgendwo erwartet mich ein tolles Jobangebot wenn ich meine Ausbildung absolviert habe. Irgendwo wird eines Tages meine Hochzeit stattfinden. Und irgendwo wird mir in ein paar Jahren mein Kind in die Arme laufen. 
Ja, irgendwo da draußen warten MEINE großen Momente auf mich. Und ich werde mich sie festhalten und beschützen – egal wie sehr du versuchst sie mir zu entreißen.
Ich habe vieles in Kauf genommen: Schmerzen, Narben und eine Menge Verzweiflung. Du hast mir all meine Hoffnungen und den Glauben an etwas Gutes genommen, immer und immer wieder. Aber ich bin und bleibe eine Kämpferin, egal wie schwer meine Rüstung ist und wie wenig Waffen ich besitze. Ich werde so lange wieder aufstehen, bis ich gewonnen habe.
Morgen ist dein großer Tag. Morgen darfst du mir den Rücken zukehren und dich nie wieder umdrehen – und das ist keine Bitte. Sei dir bewusst, dass immer eine Armee voller Menschen hinter mir stehen wird, die sich genau so sehr wünschen wie ich, dass du endlich abdankst.

Ich will nicht mehr überleben – ich will leben!

Bitte geh endlich. Und fahr zur Hölle.

Mit freundlichen Grüßen und ausgestrecktem Mittelfinger,
Carina 

3 Kommentare:

  1. Wow. Einfach nur wow!
    Der Text ist super.

    Bleib stark, halte durch! Wie du schon richtig erkannt hast, gibt es viel zu viele schöne Dinge, die in diesem Leben noch kommen um sich selbst aufzugeben.

    Ich wünsche dir ganz viel Kraft! Kämpf weiter und lass niemals den Kopf hängen!

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    1. Vielen lieben Dank! :)
      Ich versuche weiterhin stark zu bleiben, egal dieser Kampf ausgehen wird!!
      Lieben Gruß und danke für deine lieben Worte!

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  2. WOW ich bekam beim lesen Gänsehaut, ein paar kleine Tränen. Dennoch bin ich stolz auf dich. Ich hatte schon seit ich dich kenne großen Respekt vor dir. Du bist ein starke und selbstbewusste Frau. Ich kann immer mit stolz sagen das wir befreundet sind und du hast mir immer denn rücken gestärkt oder auch wenn es sein musste in den popo getreten. Danke für alles. Ein Trost auf die nächsten Jahre

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